Im März hatte das Landgericht Leipzig geurteilt, dass der DNS-Dienste-Anbieter Quad9 als Täter für Urheberrechtsverletzungen mitverantwortlich sei. Dagegen wehrte sich die gemeinnützige Stiftung hinter dem Anbieter und ging mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Berufung – mit Erfolg. Das Oberlandesgericht Dresden hat der Berufung stattgegeben, damit ist das Leipziger Urteil aufgehoben.
Der Streit zwischen der Sony Music Entertainment Germany GmbH und Quad9 dreht sich um ein Album der Band „Evanescence“. Eine Website verlinkte auf einen Filehoster, wo man sich das Album herunterladen konnte. Sony scheiterte daran, die Inhalte dort wegen der Urheberrechtsverletzung löschen zu lassen und forderte schließlich Quad9 dazu auf, eine Netzsperre einzurichten. Dann können Nutzer:innen die Seite nicht mehr ohne Tricks aufrufen.
DNS-Dienste wie Quad9 übersetzen die Namen von Internet-Seiten in numerische IP-Adressen. Damit können Nutzer:innen die gewünschten Inhalte abrufen, ohne sich kryptische Zahlenfolgen merken zu müssen – das können Computer wie die von Quad9 viel besser. Das erstinstanzliche Landgericht sah den Anbieter daher als „Täter“, er spiele „eine zentrale Rolle bei der Rechtsverletzung“, wenn er nicht eine solche Sperre einrichtet. Eine Sperre ist in der Regel jedoch nur für die gesamte Site umsetzbar. Es wird also nicht nur der rechtsverletzende Inhalt gesperrt, sondern viele andere auch.
Kein Täter, kein Störer
Nicht nur der Einstufung von Quad9 als Täter erteilte das Dresdner Gericht eine Absage, auch die Einstufung als sogenannter Störer teilt es nicht. Diese Sichtweise hatte das Landgericht Hamburg vertreten und DNS-Dienste damit anders eingestuft als Internetzugangsanbieter. Diese haften nicht für Urheberrechtsverletzungen, die über ihre Leitungen begangen wurden.
Hätte sich diese Auslegung durchgesetzt, wäre das auch ein Risiko für andere Dienste, die den Abruf von Webseiten ermöglichen, etwa Browser. Sie haben genauso wenig wie Quad9 mit einer konkreten Urheberrechtsverletzung zu tun, ermöglichen aber den Zugriff – genauso wie auf alle anderen Inhalte auch.
Außerdem, so das Gericht, habe Sony sich vor der Sperranfrage nicht ausreichend bemüht, direkt gegen die Website vorzugehen, von der die Rechtsverletzung ausging.
Verfahrenskoordinator Joschka Selinger von der GFF begrüßt den Ausgang: „Wenn Urheberrechtsverletzungen gezielt beseitigt werden, statt dass ganze Webseiten auf Zuruf gesperrt werden, profitieren davon Internetnutzer*innen und Rechteinhaber“, sagt der Jurist. Die GFF bezeichnet die Entscheidung als „wichtigen Erfolg für die Informationsfreiheit im Netz“. Zudem begrenze die Entscheidung „die Haftungsrisiken für neutrale Internetdienste“.
Eine Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Will Sony die Entscheidung nicht hinnehmen, könnte das Unternehmen beim Bundesgerichtshof noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Auf Grundlage des ersten Urteils, die DNS-Anbieter als Täter benennt, würden sich – im Übertragenen Sinne – mglw. auch andere Verzeichnisdienste, selbst Telefon- und Adressverzeichnisse in gegebenem Kontext evtl. strafbar machen. Zu gerne würde ich mich mit dem ersten Richter/Kammer, der das mitlerweile aufgehobene Urteil gefällt hat, zusammensetzen und mal genau erklären, was ein DNS-Resolver ist, wie das funktioniert und wie fehlerhaft das Urteil übertragen auf eine derartige Kernfunktion des gesamten Internet/Netzwerke war. Bei der Gelegenheit, würde ich mich auch noch mal anbieten, evtl. Wissenslücken im Bereich der IT zu schliessen.
Das aufgehobene Urteil kam vom berüchtigten Landgericht Hamburg. Am vernünftigsten wäre es, dem Richter gar nichts zu erklären, sondern ihn als Wink mit dem Zaunpfahl gegen die Kollegen von der Pressekammer sofort wegen Rechtsbeugung zu sanktionieren.
Aber naja, wenigstens hat das OLG Leipzig rational gehandelt, indem es nicht nur eine Revision gar nicht erst in Aussicht stellt, sondern auch noch das Musik-Label für die Verschwendung von Arbeitszeit bestraft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Landgericht_Hamburg#Kritik
>> Eine Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Will Sony die Entscheidung nicht hinnehmen, könnte das Unternehmen beim Bundesgerichtshof noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
>> Danke NP.org für den Hinweis und nein „die Sache“ ist noch lange nicht vom Tisch.
https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Verfahrensarten/VerfahrenZivilsachen/verfahrenZivilsachen_node.html
ZITAT:
Den ganz überwiegenden Anteil der zivilrechtlichen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof bilden die Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Zweck des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde ist es, die Durchführung eines Revisionsverfahrens zu erreichen, obwohl das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat. Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof aufgrund nicht-öffentlicher Beratung durch Beschluss.
Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall als kleiner :) Wink mit dem Zaunpfahl
Das Landgericht Hamburg ist ja für viele merkwürdige, unlogische Urteile bekannt.
Ich denke in diesem Falle wollte man schauen wie weit man gehen kann.
Könnte eine Kontrolle aller DNS- Provider auf diese Art und Weise etabliert werden, würde niemand mehr Zensur, Kontrolle und Beeinflussung bemerken.
Jetzt kann noch verglichen werden ob z.B. T-online oder 1&1 die gleichen Seiten auflösen, wie Quad9 oder Freifunk Münschen. Da ist einiges sehr interressant, insbesonde bei deutschen Mobilfunkprovider. Vermutlich vorrauseilender Gehorsam.
Ob alle, wie versprochen nicht mitloggen, kann natürlich keiner sicher sagen.
Oder man baut sich einen eigenen DNS Server mit Bind9
So long
Der oben erwähnte Zaunpfahl „Hey LG Hamburg, wir haben die Schnauze voll von eurem peinlichen Quatschjura.“ wäre nach all den Jahren mal überfällig.
>> Außerdem, so das Gericht, habe Sony sich vor der Sperranfrage nicht ausreichend bemüht, direkt gegen die Website vorzugehen, von der die Rechtsverletzung ausging.
Welche konkreten Maßnahmen (Anzahl und sowie Intensität der „Bemühungen“ ) sind denn nun nach Ansicht des OLGs ausreichend um eine Sperranfrage zu rechtfertigen?
>> https://www.peeringdb.com/asn/19281
Quad9 operates a set of open, free recursive DNS servers in more than 190 cities worldwide, with high privacy and optional security filtering. Services are available to end users, ISPs, schools, healthcare, or other large organizations who require secure recursive DNS. We typically partner with PCH (ASN42) in IX locations, and with several other transit sponsors in other locations, and via PNI in very limited circumstances.
>> https://www.peeringdb.com/net/3924
AS 42 handles production DNS traffic for several root servers, about 400 TLDs including 130 ccTLDs, and the Quad9 recursive resolver. AS 3856 handles research traffic for a global network of BGP and DNS looking glasses, and a variety of networking research projects hosted on behalf of academic and industry research labs. Please also see http://as3856.peeringdb.com, as we peer using both ASes at every location.
https://www.pch.net/about/contact
PCH maintains an open, noncommercial peering policy at many Internet Exchange Points (IXPs) around the world. PCH peers enjoy optimal reachability to PCH data and operational resources. PCH peers also enjoy logical adjacency to the resources of a growing number of root DNS, gTLD, and ccTLD operators that make use of the PCH global IP Anycast network.
Da freut man sich für Quad9 gespendet zu haben. Zusätzlich ist Sony bei mir sowas von unten durch. Mag sein, dass die eine oder andere Lizenzgebühr noch an Sony wandert, aber Hardware kaufe ich von dem Laden sicher nicht mehr.